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Krankentage belasten die deutsche Wirtschaft. Und in der Schweiz?

Die steigenden Krankentage von Arbeitnehmer:innen in Deutschland stellen eine wachsende Herausforderung für die Wirtschaft dar. Unweigerlich kommt die Frage auf, wie die Situation in der Schweiz im Vergleich aussieht. Immerhin sind steigende Krankenabsenzen nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein wirtschaftliches Problem, das Betriebe und Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellt.

Aktuelle Situation in Deutschland

Die deutsche Wirtschaft leidet unter einem signifikanten Anstieg der Krankentage bei Arbeitnehmer:innen, was sich negativ auf die Produktivität und den wirtschaftlichen Gesamtoutput auswirkt. Laut einer Analyse der DAK-Gesundheit war der durchschnittliche Krankenstand in Deutschland im Jahr 2023 13 Prozent höher als 2022. Das ist eine alarmierende Steigerung gegenüber den Vorjahren. Besonders Erkältungskrankheiten und psychische Belastungen wie Burn-out und Depressionen tragen zur hohen Fehlrate bei.

Die Frage stellt sich nun, ob auch die Schweiz vergleichbare Entwicklungen aufweist und wie Unternehmen dort auf die steigenden Abwesenheitsraten reagieren. Während in Deutschland einige Firmen mit einer strikten Kontrolle, wie etwa Hausbesuchen durch Vorgesetzte, entgegenwirken, wird in der Schweiz verstärkt auf Präventionsmassnahmen und das betriebliche Gesundheitsmanagement gesetzt. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Relevanz des Themas für Unternehmen in beiden Ländern, die zunehmend gefordert sind, Lösungen für den Erhalt der Produktivität und Reduzierung von Krankentagen zu entwickeln.

Fakten und Zahlen zur Schweizer Situation

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Schweiz im Vergleich zu Deutschland nicht wirklich besser dasteht: In der Schweiz ist die durchschnittliche Anzahl der krankheits- und unfallbedingten Abwesenheitsstunden pro Arbeitnehmer:in in den letzten Jahren gestiegen. Im Jahr 2023 betrug die durchschnittliche Abwesenheitszeit 54,6 Stunden pro Arbeitsstelle, während es 2010 noch 44,3 Stunden waren. Ein markanter Anstieg wurde im Jahr 2022 mit 65,5 Stunden verzeichnet, was teilweise auf die COVID-19-Pandemie zurückgeführt wird.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Entwicklung sind erheblich, wie du im Folgenden noch näher lesen wirst. Krankheitsbedingte Abwesenheiten führen zu Produktivitätsverlusten und erhöhen die Belastung der Sozialversicherungssysteme. Einer Schätzung aus einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zufolge, betragen die Kosten hoher Arbeitsbelastungen in der Schweiz jährlich mehrere Milliarden Franken.

Branchenspezifisch sind insbesondere das Gesundheitswesen und die Pflege betroffen, wo hohe physische und psychische Belastungen zu überdurchschnittlichen Krankheitsraten führen. Auch in der Industrie und im Baugewerbe sind die Abwesenheitsraten aufgrund der körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten höher als in anderen Sektoren. Diese Unterschiede unterstreichen die Notwendigkeit branchenspezifischer Präventionsmassnahmen und Gesundheitsförderungsprogramme, um die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu schützen und die wirtschaftlichen Folgen zu minimieren.

Wie kommt es zu den Arbeitsabsenzen?

Die Gründe für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle sind vielfältig und umfassen körperliche als auch psychische Belastungen. Hierzulande und auch in Deutschland zeigen sich bestimmte Muster, die zu einer Zunahme der Krankmeldungen beitragen.

Körperliche Erkrankungen

  • Grippe und Erkältungen: Atemwegserkrankungen gehören zu den häufigsten Gründen für Krankmeldungen. Besonders in den Wintermonaten steigen die Krankmeldungen durch Grippe und Erkältungen deutlich an.
  • Muskel-Skelett-Erkrankungen: Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenschmerzen und Gelenkprobleme betreffen viele Arbeitnehmer:innen in körperlich belastenden Berufen. Diese Beschwerden führen oft zu längeren Ausfallzeiten und sind in Branchen wie Bauwesen oder Pflege besonders stark vertreten.
  • Long-COVID-Nachwirkungen: Long-COVID stellt für viele Betroffene eine erhebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit dar. Symptome wie Erschöpfung und Atembeschwerden wirken sich langfristig auf die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen aus und verursachen zusätzliche Abwesenheiten.

Psychische Belastungen

  • Stress und Burn-out: Hohe Arbeitsanforderungen und Zeitdruck führen zu einer stetig steigenden Zahl an Burn-out-Fällen. Besonders in Berufen mit hoher Verantwortung oder Schichtarbeit sind die Belastungen oft so stark, dass sie zu langfristigen Krankmeldungen führen.
  • Depression: Depressionen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen und betreffen immer mehr Arbeitnehmer:innen. Sie erfordern oftmals längere Erholungszeiten und haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit.
  • Arbeitsbezogene psychische Belastungen: Mangelnde Anerkennung, Konflikte am Arbeitsplatz oder unsichere Arbeitsbedingungen können zu psychischen Belastungen führen. Diese Belastungen mindern das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen und erhöhen das Risiko für krankheitsbedingte Abwesenheiten.

Diese körperlichen und psychischen Gründe offenbaren die Komplexität des Themas. Es bedarf daher eines breiten Fächers an präventiven Massnahmen sowie eines verbesserten betrieblichen Gesundheitsmanagements, um diese Abwesenheiten zu reduzieren und die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu stärken. Natürlich liegt es auch an jedem Einzelnen, etwas gegen die Fehlzeiten zu tun. Nicht immer steckt tatsächlich eine Erkrankung dahinter.

Die andere Seite der Arbeitsabsenzen: Nicht wirklich krank

Nicht alle Krankmeldungen entstehen aus gesundheitlichen Gründen. Es gibt Fälle von «Krankmeldung ohne Krankheit». Die Gründe für diese unechten Krankmeldungen sind vielschichtig und oft psychologisch begründet. Überlastung am Arbeitsplatz ist dabei ein häufiger Faktor: Wenn Mitarbeiter:innen dauerhaft hohem Druck ausgesetzt sind und keine anderen Erholungsmöglichkeiten sehen, wird die Krankmeldung als einzige Möglichkeit wahrgenommen, um sich eine notwendige Pause zu gönnen. Diese sogenannte «psychische Flucht» ist eine Reaktion auf chronischen Stress, der zu einem inneren Rückzug und dem Bedürfnis nach Abstand führen kann.

Private Verpflichtungen, wie dringende familiäre Angelegenheiten oder unerwartete Termine, sind ebenfalls Gründe, warum manche Arbeitnehmer:innen sich «krank» melden. Hier spielt oft das Gefühl eine Rolle, dem Stress, der im Privatleben entsteht, nicht anders entkommen zu können. Wenn die private Belastung hoch ist und die beruflichen Anforderungen zusätzlich Druck erzeugen, kann eine Krankmeldung als ein Weg erscheinen, um «durchzuatmen» und für einen Moment klare Prioritäten zu setzen.

Motivationsmangel ist ein weiterer Grund fürs «Blaumachen». Psychologisch betrachtet, führt eine geringe Identifikation mit dem Arbeitsplatz oft dazu, dass die Arbeit als Last empfunden wird. Diese innere Abneigung kann dann durch eine «Notbremse» – eine Krankmeldung ohne Krankheit – unterbrochen werden, da die kurzfristige Pause als Entlastung und Ablenkung von ungelösten Problemen wirkt.

Und wie geht es dir? Hast du dir bereits eine kurze Pause von der Arbeit gegönnt und dich krankgemeldet? Obgleich dies bis zu einem gewissen Grad toleriert wird, ist eines zu bedenken: Die rechtliche Lage ist eindeutig. Krankmeldungen ohne tatsächlichen Grund können arbeitsrechtlich als Täuschung gewertet werden und Konsequenzen nach sich ziehen. Dennoch zeigt sich auch in der Schweiz, dass gelegentliches «Blaumachen» als menschliche Reaktion auf Stress und Belastungen gesellschaftlich bis zu einem gewissen Grad akzeptiert wird, da es als Ausdruck des Bedürfnisses nach Selbstschutz und Abgrenzung wahrgenommen wird. Ratsam ist es jedoch nicht, denn es gibt bessere Wege, mit diesem Umstand umzugehen. Warum? Weil das ungerechtfertigte Krankschreiben dir selbst, dem Betrieb und der Wirtschaft nachhaltig schadet. Es verschlimmert die vielen negativen Konsequenzen, die bereits durch die gerechtfertigten Abwesenheiten entstehen.

Oft unterschätzt: Wirtschaftliche Auswirkungen der Abwesenheiten

Krankheitsbedingte Abwesenheiten haben erhebliche wirtschaftliche Folgen und belasten Unternehmen erheblich. Zu den direkten Kosten zählen Krankentaggeldzahlungen und Lohnfortzahlungen, die sowohl von Unternehmen als auch von Sozialversicherungen getragen werden. Für längere Abwesenheiten entstehen zusätzliche Kosten für die Einstellung und Schulung von Ersatzkräften, was besonders in stark spezialisierten Branchen zu erheblichen finanziellen Belastungen führt. Eine Studie des Netzwerks Risikomanagement beziffert die durch Mitarbeiterausfälle entstehenden Kosten für die Schweizer Wirtschaft auf rund 24 Milliarden Franken jährlich.

Indirekte Kosten, die oft weniger sichtbar sind, umfassen Produktivitätsverluste, wenn Teams aufgrund der Abwesenheit von Mitarbeiter:innen nicht in vollem Umfang arbeiten oder Kollegen:innen zusätzlich belastet werden. Diese Verluste sind in Sektoren wie dem Gesundheitswesen, der Pflege und der Industrie besonders hoch, da der Ausfall von Fachkräften erhebliche Mehrbelastungen für die verbleibenden Mitarbeiter:innen bedeutet. Eine langfristige Überlastung mündet zudem in weitere Krankmeldungen und verschärft die Situation.

Auch in Deutschland sind die wirtschaftlichen Auswirkungen beträchtlich. Laut einer Studie des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) führte der hohe Krankenstand im Jahr 2023 dazu, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession rutschte. Die Analyse zeigt, dass ohne die überdurchschnittlichen Krankentage das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent gewachsen wäre, statt um 0,3 Prozent zu schrumpfen. Die hohen Abwesenheiten verursachten Produktionsverluste von etwa 26 Milliarden Euro und führten zu einem Verlust von fünf Milliarden Euro für die Sozialversicherungen sowie Steuerausfällen von 15 Milliarden Euro.

In beiden Ländern erhöht sich durch hohe Krankheitsraten der finanzielle Druck auf die Sozialversicherungssysteme, was langfristig höhere Beiträge für Unternehmen und Arbeitnehmer:innen als Konsequenz haben dürfte. Kurzum: Hohe Krankenstände sind eine ernsthafte wirtschaftliche Herausforderung. Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland sind gefordert, in Präventions- und Gesundheitsprogramme zu investieren, um die Belastung zu mindern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Was tun gegen die hohen Abwesenheitsraten?

Ein effektives betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein zentraler Ansatz zur Senkung von Krankentagen. Präventionsprogramme, wie Gesundheitschecks, Sportangebote und Stressmanagement-Kurse, fördern die Gesundheit der Mitarbeiter:innen und senken das Risiko von Langzeitausfällen. Flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice und variable Arbeitszeiten tragen ebenfalls dazu bei, die Work-Life-Balance zu verbessern und so Überlastung und Burn-out vorzubeugen.

Die Führungskultur nimmt ebenfalls einen hohen Stellenwert ein. Ein wertschätzendes, unterstützendes Arbeitsumfeld kann das Engagement der Mitarbeiter:innen stärken und deren Zufriedenheit erhöhen. Einen Schritt weiter gehen die Tesla-Manager in Deutschland. Sie besuchten kranke Mitarbeiter:innen zu Hause, um deren Arbeitsmoral zu prüfen und vermeintlichem «Blaumachen» entgegenzuwirken. Diese kontroverse Praxis sorgte für Unmut und führte dazu, dass sich einige Mitarbeiter:innen bedrängt fühlten und sogar die Polizei riefen.

In der Schweiz setzen Unternehmen eher auf konstruktive Massnahmen als auf Kontrolle. Präventive Angebote und eine unterstützende Führungskultur sind langfristig effektiver, da sie das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen fördern und damit die Abwesenheitsraten senken. Investitionen in die Mitarbeiter:innen und Gesundheitsangebote zahlen sich aus, da sie die Produktivität steigern und Krankentage reduzieren.

Gesunde Arbeitskultur für weniger Krankschreibungen: Alle sind gefragt

Hohe Krankheitsraten stellen eine wachsende Herausforderung für die Wirtschaft dar. Unternehmen und Politik sind gefordert, durch gezielte Präventionsprogramme und flexible Arbeitsmodelle die Gesundheit und Motivation von Mitarbeiter:innen langfristig zu stärken. Eine wertschätzende Führungskultur und Investitionen in betriebliches Gesundheitsmanagement sind wichtige Ansätze, um Abwesenheiten zu reduzieren und die Arbeitszufriedenheit zu fördern.

Doch auch du selbst stehst in der Verantwortung: Motivation und Selbstfürsorge gehen Hand in Hand. Es ist wichtig, sich bei chronischer Unlust auf den Job zu hinterfragen, sich bei Bedarf eine Pause zu gönnen und im Krankheitsfall rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. So entsteht eine starke und gesunde Arbeitskultur, von der alle profitieren.

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